Frauke Bürger: Mein Weg zum CI

1970, meine Eltern wurden mit einer Zwillingsgeburt überrascht. Vorsorgeuntersuchungen
entsprachen nicht den heutigen Standards. Als ungeplante Zweitgeborene, hatte ich dennoch noch
großes Glück. Im Vergleich zu meiner normal hörenden Zwillingsschwester wurde schnell allen
klar, dass mit mir etwas nicht stimmte: Vom Sauerstoffmangel unter der Geburt trug ich „nur“ einen
massiven Hörschaden davon.

Meine Mutter war schon früh mit mir unterwegs, um den Hörschaden diagnostizieren zu lassen,
aber vergebens. Bei diversen Hörtests musste ich Klötze, etc. bewegen, dass passte wohl in deren
“Hörschema”. Immer wieder die Antwort: “Ihr Kind hört, was wollen sie denn?” Meine Mutter
blieb hartnäckig, als ca. 1975/76 die hochgradige Schwerhörigkeit festgestellt wurde.

Schule

Endlich wurde ich beidseits mit Hörgeräten versorgt, bekam Sprachunterricht. Das Jahr vor der
Einschulung war ich in der Vorschule in der nächsten Kreisstadt. Für meine Mutter hieß das: jeden
Tag 25 km dorthin zu fahren, den Vormittag dort zu verbringen und wieder nach Hause.
Kurz vor meinem 7. Geburtstag wurde ich in eine Regelgrundschule in unserer Nachbarschaft
eingeschult. Mit meiner Schwester an meiner Seite haben wir 13 Jahre jede Unterrichtsstunde
gemeinsam verbracht. Das Nichtverstandene wurde zu Hause aufgearbeitet. Meine Schwester war
deutlich besser in der Schule, was meiner Mutter und mir manchmal weh tat. Ich hatte doch so viel
getan,….1990 hielten wir glücklich unsere Abiturzeugnisse in der Händen.

Ausbildung

Hier trennten sich unsere Wege. Für eine Krankenpflegeausbildung verließ ich die Heimat, meine
Schwester blieb zu Hause und machte eine Banklehre. Meine Ausbildung war hörtechnisch eine
Herausforderung, aber ich hatte immer tolle Kollegen an meiner Seite. Telefonieren (ich hasse es
noch heute) musste ich nur, wenn es sich nicht vermeiden ließ und dann mit Hörverstärker, den ich
in meiner Kitteltasche dabei hatte.
Die Ausbildung beendete ich trotz meiner Schwierigkeiten mit gutem Erfolg und übe den Beruf
auch heute noch gerne als HNO-Schwester in Hannover aus. Teils noch mit den gleichen Kollegen
von damals. Sie unterstützen mich zu 100% in meiner Hörbehinderung. Seid der Geburt unser
Tochter arbeite ich Teilzeit, vorwiegend im Nachtdienst. Die Station beinhaltet 4
Überwachungsplätze, so dass wir nachts zu zweit arbeiten. Der Nachtdienst erwies sich aufgrund
des Hörstress im Tagesbetrieb als ideale Lösung für mich und ich liebe diese Arbeitszeit.

CI-Implantation

2012 erfuhr ich das erste Mal etwas von und über Cochlearimplantate. Für mich damals noch keine
Option, ich hörte meiner Meinung nach genug mit den HG. Ich wusste als Krankenschwester auch
um die möglichen Risiken einer OP. Zu diesem Zeitpunkt wollte ich meine 12(!) Jahre alten,
analogen HG durch moderne, digitale ersetzen.

Interview Marisa Strobel (Chefredakteurin der Zeitschrift “Schnecke”)

1. Eckdaten zu deiner Person, …z.B…Beruf, Hörstatus, Ehrenamt, Hobby, was dir sonst wichtig ist

Marisa Strobel, Chefredakteurin der Zeitschrift Schnecke, guthörend. Was mir wichtig ist: Diversität und ein wertschätzender Umgang mit unserer Umwelt

2. Wenn du eine berühmte Persönlichkeit (egal ob lebendig oder Tod) treffen dürftest, wer wäre es und warum?

Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern. Ihren Führungsstil und ihre unprätentiöse Art, Regierungschefin und gleichzeitig Mutter eines Babys zu sein, finde ich bewundernswert.

3. Wenn du eine Sache auf der Welt verändern dürftest, was wäre das und warum?

Dann würde ich dem Tag mehr Stunden verleihen.

4. Auf was könntest du in deinem Leben nicht verzichten?

Meer.

5. Gibt es ein Geräusch, das du am liebsten niemals hören würdest oder gehört hast?

Geräusche, die mit Leid verbunden sind.

6. Was macht dir an deinem Job besonders Spaß und warum?

Dass ich so viele verschiedene Menschen treffe und immer etwas Neues dazulerne

7. Was ist dein nächstes Projekt?

Die Schnecke weiterentwickeln, damit sie stets spannend für ihre Leser bleibt

8. Wenn du 3 Wünsche frei hättest, welche wären das?

Dann würde ich die Kriege beenden, den Klimawandel stoppen und die Gleichberechtigung für alle Menschen, unabhängig ihrer Herkunft, ihres Geschlechts oder ihrer Behinderungen, endlich umsetzen. Bis ich eine gute Fee gefunden habe, die mir das erfüllt, müssen wir uns alle selbst dafür einsetzen.

9. Hast du noch eine Lebensweisheit für uns?

Es gibt immer einen Weg, man muss ihn nur finden

Matthias Schulz: Mein Weg zum CI

Es schrieb das Jahr 1977, ich wurde im goldenen Oktober in Hamburg geboren. Neben meinen 2 älteren Geschwistern, bin ich sozusagen ein Nachkömmling. Meine Eltern gaben mir den Namen Matthias.

Rückwirkend aus Erzählungen meiner Eltern weiß ich, dass meine Mama eine schwierige Geburt mit mir erleben musste. Sie kann sich noch an Wortfetzen „da stimmt etwas mit dem Mutterkuchen“ im Kreissaal erinnern. Eine Geburtsakte ist bis heute nicht auffindbar.

Ich entwickelte mich normal, sprach auch gut – aber ich sprach wenig. Ich reagierte nicht auf Rufe. Das kostete so manche „Tracht Prügel“ – weil der Junge „nicht hören“ wollte. Ich kam in einen Kindergarten in der Nachbarschaft. Eine sehr nette Erzieherin machte meine Eltern aufmerksam, dass ich etwas mit den Ohren haben könnte.

Und dann begann die Odyssee:  Natürlich ist meine Mama gleich mit mir zum Ohrenarzt – die Aussage vom HNO-Arzt war: „Stellen Sie nicht so an – ihr Sohn ist ein Nachkömmling – er braucht etwas länger“. Mit dem Ergebnis waren meine Eltern nicht zufrieden.  Man besuchte mit mir verschiedene HNO-Praxen und Krankenhäuser: es gab unterschiedliche Untersuchungen mit unterschiedlichen Ergebnissen (das Kind ist taub, das Kind kann nicht sprechen, das Kind kann normal hören) Fakt aber war, ich sprach normal – nur sehr wenig und reagierte nur, wenn das Gesicht zu mir gewandt war.

Nach 2 Jahren Untersuchungen waren meine Eltern genervt und beschlossen, mir einfach ein Hörgerät zu kaufen. Sie sind zu einem Akustikerladen von der Firma Kind und sagten, wir brauchen für unseren Sohn ein Hörgerät. Eine sehr nette Akustikerin klärte meine Eltern auf: ohne Rezept gibt es kein Hörgerät und sie müssten zum HNO-Arzt. Darauf erwiderten meine Eltern: „Nix da – unser Sohn wurde 2 Jahre von verschiedenen Ärzten untersucht und alle gaben unterschiedliche Ergebnisse. Die Akustikerin empfahl ein bestimmtes Krankenhaus mit einer HNO-Abteilung. Mit ca. 6 Jahren wurde dann meine hochgradige Schwerhörigkeit festgestellt und ich bekam 2 Hörgeräte.  Ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass ich am Küchentisch saß und ich plötzlich mein eigenes Klatschen und Klopfen auf dem Küchentisch hörte.

Ich wurde mit 6 Jahren auch sofort – nach Feststellung meiner Hörschädigung- etwas verspätet in die Schwerhörigen-Schule Hamburg eingeschult. Ich machte die Mittlere Reife und bin dann 1994 nach Essen auf die Kollegschule mit Internat gewechselt. Ich machte das Fachabi.  Die Schulzeit in Hamburg und Essen war schön, ich konnte den Unterricht gut folgen und fand auch immer Anschluss zu den anderen hörgeschädigten Klassenkameraden.

1996 begann ich eine Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation bei der Deutschen Telekom. Es begann eine neue Zeit – weg von der geschützten Welt in den Schulen für Hörgeschädigte. Ich musste plötzlich in eine „normale“ Regelberufsschule. Ich war der einzige Hörgeschädigte in der Berufsschule. Ich bekam eine Microport-Anlage, die mir den Schulbesuch erleichterten. Ich musste auch eine Prüfung für Stenographie (trotz fast Taubheit) ablegen. Ich vermisste damals sehr meine Mitschüler aus den Schwerhörigen-Schulen. Durch Fleiß und auch etwas Ehrgeiz beendete die 3jährige Ausbildung mit einer guten Note und wurde auch übernommen.

Im Jahre 2000 wurde ich Mitglied im Schwerhörigen-Verein Hamburg und fand auch wieder den Kontakt zu anderen Hörgeschädigten. Ich engagierte mich dann in der Jugendarbeit und bin mittlerweile im Vorstand. Ich hatte damals auch die schönen Sommercamps von der damaligen Bundesjugend erleben  dürfen.

Ich fragte damals meinen HNO-Arzt, ob man irgendwie meine Hörschädigung durch eine Operation verbessern könnte. Die Antwort: „Nein, die Hörnerven sind kaputt – deswegen sind Sie schwerhörig“. Eine logische Rückmeldung für mich damals und fand mich offiziell mit der Schwerhörigkeit ab bzw. musste sie irgendwie akzeptieren. Zu diesem Zeitpunkt hörte ich noch etwas mit den Hörgeräten, aber ich hatte nie ein Sprach-Verständnis

Im Jahr 2005 wurde bei mir durch Zufall Diabetes festgestellt. Das war harte Zeit für mich. Erst die Hörschädigung und dann noch Diabetes dazu. Ich musste gleich sofort mit Insulin und Spritzen leben und das Leben neu lernen. Ich besuchte aufgrund der Diagnose Diabetes die Rehaeinrichtung für Hörgeschädigte in Bad Berleburg. Es liefen viele Hörgeschädigte Patienten mit einem CI in der Einrichtung. Und ich bestaunte, wie gut es ihnen mit dem Hören ging.

Ich dachte, die Medizin hat sich bestimmt weiterentwickelt und ich klopfte in der HNO-Abteilung an und bat um eine Untersuchung. Und dann das Ergebnis: Ihre Hörnerven sind doch in Ordnung – sie können von einem CI profitieren. Das war ein Ergebnis, dass ich erstmal kapieren musste.

Nach der Reha meldete ich mich in Hamburg in der Universitätsklinik Hamburg (UKE) als CI-Wunsch-Kandidat an. Es folgten Untersuchungen. Alles prima und ich wurde auf eine Warteliste als CI-Kandidat gesetzt. Doch durch irrsinnige politische Fehlentscheidung wurde die CI-Abteilung im UKE geschlossen. Ich hatte dann die Wahl Hannover oder Kiel. Nach Hannover wollte ich definitiv nicht. Mir gefielen die Versorgungs- und Behandlungsabläufe nicht (noch heute gefällt mir der Ablauf in Hannover nicht). Durch Gespräche mit Christine Jegminat entschied ich mich für das UKSH Kiel.

Doch dort in beim UKSH Kiel musste ich auch kämpfen: man wollte mich nicht mit einem CI versorgen -die Begründung war: „Sie sprechen so gut, Sie kommen so gut klar, warum dann ein CI“. Als ich das hörte, wurde ich sehr erbost, und antwortete: „ich will aber ein CI, ich höre sehr schlecht und mir ist der Alltag einfach zu anstrengend und ich unterschreibe auch alles, Hauptsache – ich bekomme ein CI!“

Und ich wurde operiert und nach 4 Wochen durfte ich bei der Ersteinstellung das erste „Piepen“ hören. Das war einfach nur schön und für mich auch emotional ergreifend. Ab da wusste ich, ich kann wieder etwas hören – es wird nur Training und Arbeit kosten.

Heute bin ich inzwischen bilateral versorgt und es geht mir gut! Ich genieße es wieder am Leben aktiver teilnehmen zu können und telefonieren zu können. Ich genieße es aber auch, dass ich die CIs abnehmen kann und auch in Stille das Leben zu leben. Mir ist vollkommen bewusst, dass ich nach wie vor „taub“ bin und auch immer bleiben werde. Mir ist auch bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, ein gutes Hören wieder zu bekommen. Für dieses Glück oder „Hör-Geschenk“ bin ich Gott sehr dankbar.

Durch das CI- und auch die CI-Szene bin ich auch zum Cochlear Implantat Verband Nord gekommen. Heute bin ich Vorsitzender dieses Verbandes und im Präsidium der Deutschen Cochlear Implantat Gesellschaft e.V. und freue mich immer wieder, wenn ich Menschen zu einem besseren Leben mit einem CI- helfen oder motivieren kann.

Juli 2020, Matthias Schulz

Interview mit Pascal Thomann

1. Eckdaten zu deiner Person

Hörstatus:

  • Von Geburt an Hörgeschädigt

Kindheit

  • Sandwichkind (eine jüngere und eine ältere Schwester)
  • Kindheit im Ruhrpott verbracht

Lebensmittelpunkt

Seit 2002 der Liebe wegen in Hamburg

Beruf

Sonderschulpädagoge/ Pädagogisch Therapeutischer Leiter des CIC Schleswig-Kiel

Hobbys

  • Lesen
  • Tanzen
  • Mich mit lieben Leuten umgeben

Ehrenamt

  • Leiter der CI Gruppe im Bund der Schwerhörigen e.V. Hamburg
  • Ehrenamtliche Mitarbeit und Zuarbeit im CIVN
  • CIVNeuigkeiten
  • Beirat im Bund der Schwerhörigen e.V.

2. Wenn du eine berühmte Persönlichkeit (egal ob lebendig oder Tod) treffen dürftest, wer wäre es und warum?

  • Ich weiß gar nicht ob ich mich mit einer berühmten Persönlichkeit treffen wollen würde. Im Ehrenamt lerne ich immer wieder beeindruckende Persönlichkeiten kenne, die sich nicht unterkriegen lassen und ihren Weg meistern.

3.Wenn du eine Sache auf der Welt verändern dürftest, was wäre das und warum?

Ungerechtigkeit

4.Auf was könntest du in deinem Leben nicht verzichten?

  • Partner und Familie
  • Gesundheit

5.Gibt es ein Geräusch das du am liebsten niemals hören würdest oder gehört hast?

  • Ja gibt es.

6. Was macht dir an deinem Ehrenamt besonders Spaß und warum?

  • Der Kontakt zu anderen Betroffenen. Die Hilfe zur Selbsthilfe. Die Leuchtenten Augen wenn man anderen Personen ein Stück auf ihrer Hörreise begleiten darf.

7. Was ist dein nächstes Projekt?

  • Die Errichtung eines Treffpunktes für CI-Träger und Interessierte am CIC Schleswig- Kiel

8.Wenn du 3 Wünsche frei hättest, welche wären das?

  • Gesundheit
  • Durchhaltevermögen wenn es mal beschwerlicher wird
  • weiterhin interessante und inspirierende Begegnungen mit Menschen.

Online Workshop

Am 26.9.2020 fand der coronabedingt in eine Online-Workshop umgewandelte Technik- Workshop des CIV-Nord von 11 – 14 Uhr statt. Diese Veranstaltung wurde von Dr. Elmar Haake und Wolfgang Radke (beide CIV-Nord) organisiert und moderiert. In technischer Hinsicht wurde der Online-Workshop von der Web-Konferenz-erfahrenen Marion Schilcher professionell betreut und von der Firma mitSCHRIFT Sandra Kantschat mit ihrer Kollegin simultan verschriftlicht. Insgesamt waren 28 Teilnehmer anwesend. Als Hauptreferent trug Dr. Matthias Hey (Audiologie, HNO-Universitätsklinikum Kiel) das Impulsreferatsthema „Audiologische Betreuung von CI–Patienten“ mit den Schwerpunkten „Physiologie der elektrischen Stimulation des Hörnerven“, „CI-Technik – prinzipieller Aufbau und Funktion“ und „postoperative audiologische Diagnostik und Service“ vor. Im Zuge dieses Vortrages wurden Fragen zum Inhalt des Vortrages und allgemein zur CI-Technik gestellt und ausführlich besprochen. Im Anschluß an das Impulsreferat wurden die Teilnehmer in 4 verschiedene herstellerbezogene Gruppen interessenbezogen eingeteilt.

Diese 4 Gruppen fanden zeitlich parallel in Zoom-Unterkonferenzräumen statt, die von Marion Schilcher erstellt wurden. In diesen Gruppen stellten die zugeteilten CI-Firmen neue Informationen für CI-Träger und insbesondere die technischen Anbindungsmöglichkeiten von Assistenzsystemen vor. In anschließenden Diskussionsrunden wurden Fragen bezüglich der CI-Technik, die in den Selbsthilfegruppen häufig gestellt wurden, besprochen. Durch die ausgeprägte Individualität der implantierten CI-Systeme war die Einbeziehung von fachkundigen Mitarbeitern der CI- Hersteller hier essentiell.

Gegen Ende der Veranstaltung wurden die Teilnehmer wieder zusammengeführt und eine abschließende Feedbackrunde durchgeführt. Die Resonanz der Teilnehmer und der Referenten waren durchgehend positiv: „…Mir hat es einen großen Spaß bereitet…insbesondere die strukturierte Durchführung der Themen und der Veranstaltung hat mich sehr begeistert.“, „Toll, ganz große Klasse, Ihr könnt eine Flasche Sekt aufmachen;-)“, „Der erklärt wirklich unglaublich gut!!! Klasse!“ waren beispielhaft die Kommentare. Durch die gewonnenen positiven Erfahrungen dieser Workshop-Durchführung als Online- Meeting wurde der Wunsch nach weiteren Veranstaltungen in dieser Form laut. Für das gute Gelingen dieser Form waren im Vorlauf durchgeführte bilaterale Testmeetings mit den Teilnehmern u.a. mit Hilfe von Marion Schilcher und mitSCHRIFT Kantschat von Vorteil.

Was wird aus unserer Selbsthilfegruppe in Corona-Zeiten? Wie kann und wie soll es weitergehen?

In 2016 war der Ursprung unserer Selbsthilfegruppe. Zwei Frauen hatten sich nach einer CI-Operation regelmäßig mit ihrer Logopädin getroffen.

Im Jahr 2017 hat sich die Logopädin an die Selbsthilfekontaktstelle gewendet, diese organisierte mittels der Presse umfangreichere Gruppentreffen. Unseren Bekanntheitsgrad konnten wir mit Hilfe der hiesigen Presse sowie unserem Flyer, der in vielen Arztpraxen und bei Hörgeräteakustikern, Logopäden und medizinischen Einrichtungen ausliegt, sehr schnell steigern. Alles entwickelte sich zur Zufriedenheit. Ein Raum wurde uns zur Verfügung gestellt, Satzung, Flyer wurde erstellt und verteilt, Bankkonto wurde eingerichtet und beim Finanzamt wurde unsere Gemeinnützigkeit anerkannt. In den drei Jahren hat sich unsere Stammmannschaft gebildet, die mit den neu hinzugekommenen Hörgeschädigten einen regen Informationsaustausch pflegen.

Das Neue Jahr 2020 fing ganz normal an. Die Tageszeitung einschließlich die der vier Nachbarlandkreise druckten unsere Ankündigungen ab, wann und wo unsere Treffen stattfinden. Darüber hinaus wurden unsere Mitglieder per E-Mail und Whats App informiert und eingeladen. Im Januar und Februar war alles noch in bester Ordnung. Doch im März kam Corona und somit der totale Ausfall unserer Treffen, bis einschließlich Juni.

„Was tun?, „sprach Zeus“. Wie und was können wir in der Zwischenzeit tun, wie unsere Hilfesuchenden unterstützen? Mittlerweile hatten sich weitere Hörgeschädigte mit den verschiedensten Problemen, Fragen und Anliegen an uns gewendet. Einige standen vor einer CI-OP und brauchten noch dringend Informationen. Da kam uns die Idee derInformationsteams. Hier konnten „Neulinge“ von unseren erfahrenen (und selbst betroffenen) Mitgliedern Informationen aus erster Hand bekommen. Das kann entweder über Telefon, Whats App oder E-Mail erfolgen. Auch persönliche Treffen können organisiert werden.

Ab Juli gingen die Treffen, allerdings sehr eingeschränkt weiter, maximal neun Personen dürfen in den Gruppenraum. Da die Nachfrage doch größer war haben wir uns entschlossen, für November zwei Termine einzuplanen. Die erste Gruppe von 15:00 bis 17:00 Uhr, danach eine Stunde Lüften und Desinfizieren, die zweite Gruppe von 18:00 bis 20:00 Uhr. Dann kam allerdings die neue Corona-Verordnung und nun müssen wir wieder auf die Informationsteams zurückgreifen.

In Facebook (Hörgeschädigte Wittmund)haben wir eine allgemeine Informationsseite geschaltet und eine eigene Webseite ist in Planung.

Wir freuen uns über Tipps von ihrer Seite und geben gerne unsere Erfahrenen an sie weiter.

Rolf Münch
Gruppensprecher

Mein Weg zum CI

von Andreas Prien

Ich hatte ja schon von meiner Kindheit an immer Probleme mit den Gehörgängen!  Der Ohrenarzt sagte da ich noch genug hören würde wäre kein OP notwendig!

Im Jahr 2012 nach mehreren Ohrenschmerzen und Entzündungen wurde ich dann an die HNO Flechsig Klinik in Kiel überwiesen. Dann wurde in 2 OP-Schritten versucht, den linken sowie den rechten Gehörgang zu erweitern, dieses missglückte leider. Anschließend wurde mir vorgeschlagen, mich im Frühjahr 2014 in Hamburg untersuchen zu lassen.

Nachdem die ersten Untersuchungen abgeschlossen waren, hieß es, ich hätte auf dem linken Ohr noch 65 % Hörvermögen. Für die rechte Seite wurde mir zu einem CI geraten, da mein Hörnerv noch intakt war. Damit war der Weg frei für ein CI am rechten Ohr.

Von der Untersuchung bis zur OP vergingen ganze 3 Monate. Dann endlich, im Oktober 2014, war der OP Termin, und es wurde mir ein Cochlea Implantat implantiert. 4 Wochen später war ich für eine Woche zur Erstanpassung. Und plötzlich war alles anders: Die alltäglichsten Geräusche oder die Töne meiner Lieblingsmusik klangen ganz anders!

Danach, im Januar 2015, war ich auf einer vierwöchigen Reha in Rendsburg. Dort war ich mit anderen CI- und  Hörgeräte-Trägern und was es sonst noch so gab zusammen.  Im August 2017 bekam ich dann für mein linkes Ohr noch normales Hörgerät von Resound dazu. Jetzt lebe ich schon seit 6 Jahren damit und erlebe immer noch etwas Neues an Eindrücken in der Geräusche Welt. Als Abschluss wenn alles klappt gibt es jetzt rechts sogar noch einen neuen Prozessor von Cochlear.

 Andreas Prien

Kurzbericht Schriftdolmetscherin Sandra Kanschat

Moin zusammen, mein Name ist Sandra Kanschat und ich bin Schriftdolmetscherin.

Bestimmt fragen sich nun einige, „was ist denn eine Schriftdolmetscherin?“ Eine Schriftdolmetscherin schreibt für Menschen mit Hörschädigung alles mit, was irgendwo gesprochen wird, z. B. auf Veranstaltungen, bei Arztgesprächen, bei Mitgliederversammlungen, Betriebsversammlung, Selbsthilfegruppen… Es gibt verschiedene Möglichkeiten, zu denen Schriftdolmetschende einen hörgeschädigten Menschen begleiten können.

Vielleicht interessiert es ja den einen oder anderen, wie ich zu diesem Beruf gekommen bin?

Das war eher ein Zufall. Ich war in meinem ursprünglichen Job als Bürokauffrau irgendwie nicht zufrieden, wollte mehr mit Menschen arbeiten. Also überlegte ich mir, Gebärdensprache zu lernen. Leider war das in meiner damaligen Heimatstadt nicht möglich. Und dann entdeckte ich eine Anzeige für die Weiterbildung zum Schriftdolmetscher. Ich dachte, das Schriftdolmetschen ist dem Gebärdensprachdolmetschen sehr ähnlich, warum nicht das?Also fing ich 2005 an, Schriftdolmetschen zu lernen. Zwei Jahre lang habe ich diese Ausbildung in Vollzeit gemacht. Seit 2007 bin ich nun in diesem tollte Beruf tätig und seit 2008 bin ich nun schon selbstständig und führe mein eigenes kleines Unternehmen. Die lautsprachunterstützende Gebärdensprache habe ich nebenbei aber trotzdem gelernt, um die Kommunikation mit meinen Kunden zu erleichtern.

Wie funktioniert das Schriftdolmetschen?

Es gibt drei unterschiedliche Systeme, die unterschiedlich funktionieren. Ich arbeite mit der Computerstenografie. Hierbei schreibe ich auf einer speziellen Stenografie-Tastatur in Stenografie Sprache wortwörtlich und simultan alles mit, was gesprochen wird. Eine spezielle Software wandelt die Eingaben in lesbare Langschrift und macht die Sprache fast in Echtzeit auf einem Monitor oder einer Leinwand sichtbar.

Während meiner inzwischen 13-jährigen Berufslaufbahn als Schriftdolmetscherin bin ich für meine Aufträge bundesweit und im deutschsprachigen Ausland zu allen möglichen Themen unterwegs, um Menschen mit Hörschädigung in der Kommunikation zu unterstützen. Ich kann sagen, das ist mein Traumberuf.

Oft werde ich gefragt, ob nicht die Spracherkennung z B. in den Smartphones einen Schriftdolmetscher ersetzen könne. Das ist (noch) nicht so. Eine automatische Spracherkennung ist noch nicht in der Lage, mehrere Sprecher ausreichend gut voneinander zu unterscheiden und ist dadurch fehleranfällig. Aber als „Notlösung“ für kleinere Gespräche ist sie durchaus gut nutzbar. Aber ersetzen wird sie einen Schriftdolmetscher nicht können. Der BdS war einer deiner ersten Kunden und inzwischen ist es ganz selbstverständlich für uns, dich bei Bedarf als erste anzufordern. Hast du noch andere Arbeitsgebiete?

Finanzierung von Schriftdolmetschenden

Leider ist die Bezahlung von Bundesland zu Bundesland verschieden und hängt auch davon ab, wer der Kostenträger für die Kostenübernahme ist. Da fehlt es an einereinheitlicheren Regelung.

Schriftdolmetschen in Corona-Zeiten

Corona ist eine Herausforderung für jeden. Nachdem mir im Frühjahr erstmal alle Präsenzaufträge eingebrochen sind, waren neue Strategien erforderlich. Nun arbeite ich neben Präsenzaufträgen auch online. Die Digitalisierung schreitet voran, darauf muss ich mich einstellen. Auch wenn es mir manchmal schwerfällt, weil ich von Technik einfach keine Ahnung habe J. Aber mittlerweile bin ich gut auf verschiedene Programme eingestellt und auch eine sichere Übertragung von sensiblen Daten ist kein Problem mehr.

Meine Wünsche für die Zukunft?

Ich wünsche mir, dass das ganze Thema Inklusion mehr in die Köpfe der Menschen kommt. Inklusion bedeutet für mich, es wird an die Bedürfnisse aller Menschen gedacht, egal, ob sie ein Handicap haben oder nicht. Das bedeutet auch, dass z. B. auch wir Schriftdolmetschenden inkludiert werden. Häufig passiert es, dass wir als Schriftdolmetschende in der hinteren Ecke platziert werden. Ich bin in meiner Arbeit aber ebenso auf das Mundbild des Sprechers angewiesen, wie ein hörgeschädigter Mensch. Das Mundbild erleichtert mir mein Verstehen und damit meine Arbeit.

Und natürlich wünsche ich mir, dass ich noch eine ganze Weile diesen Job bei bester Gesundheit machen kann.

Selbsthilfegruppenleiterseminar

Von Dr. Anne Bolte

Mit dem SHG Leiter-Seminar vom 10. bis 12.11.2017 hat sich der Vorstand des CIV Nord e.V. um Matthias Schulz etwas Neues überlegt: Ein mehrtägiges Seminar sollte ausreichend Gelegenheit geben, sich außerhalb eines fixen Tagungsprogrammes auszutauschen. Dazu haben sich die Teilnehmer auf einen teils recht weiten Weg nach Schleswig-Holstein gemacht.
Leider war der Wettergott uns nicht so wohl gesonnen, es war ungemütliches Herbstwetter- gut um drinnen zu arbeiten! Andreas Prien, Pascal Thomann und Michaela Korte haben in der Organisation ganze Arbeit geleistet.
Das Seminar fand in Schleswig statt, und zwar im Landesförderzentrum Hören und Kommunikation.

Der erste Abend begann gleich mit einem geselligen Beisammensein. Die eher rustikale Unterbringung im Internat und das gemeinsame Essen in der Schulküche (Dank an die Küchenfeen Prien und Gurk!) taten der guten Laune keinen Abbruch, sondern sorgten eher für einen guten Gruppenzusammenhalt.
Die Veranstaltung war bestens organisiert, niemand musste sich Gedanken um An- oder Abreise machen, die Kommunikation klappte barrierefrei mittels Ringschleife und Schriftdolmetschern.
Die Diplom-Psychologin Marie Kolonko hielt einen kurzen Vortrag zum Thema Supervision und veranschaulichte die Inhalte abschließend in Gruppenarbeit. Das „WIE“ einer Selbsthilfegruppe war zentrales Thema. Rege wurden Tipps und Tricks in der Führung einer Gruppe ausgetauscht.

In einem anderen Programmpunkt ging es um das Miteinander von SHG und CIV Nord e.V.
Hierbei war besonders spannend, dass neue SHG Leiter mit „alten Hasen“ diskutieren konnten. Viele neue Ideen und Anregungen für die Arbeit des großen norddeutschen Verbands CIV Nord e.V. kamen auf.

Gelacht wurde bei vielen verschiedenen Gelegenheiten, das Gesellige kam nicht zu kurz, auch wenn nach dem offiziellen Programm viel weiter über die Selbsthilfegruppenarbeit gesprochen und diskutiert wurde.

Und dass wieder einmal eine gelungene Veranstaltung vorbei ist, merkte man beim Abschiednehmen: Es dauerte wieder einmal recht lange, bis sich jeder von jedem verabschiedet hatte und nach diversen Adress- und Nummernaustausch endlich alle die Heimreise antraten. Einig war man sich: es braucht eine Wiederholung eines solchen Wochenendes!

Das Selbsthilfegruppenleiterseminar wurde durch die IKK classic Hamburg gefördert.

Musikerleben – Sterbende Krähen im Meeresrauschen in Cuxhaven

Mit den Füßen hören!

Von Dr. Anne Bolte

Bei einem eintägigen Seminar, das durch die Selbsthilfegruppe „Open Ohr“ in Cuxhaven veranstaltet wurde, ging es um Musikerleben. Das Besondere: alle Teilnehmer waren hörgeschädigt.Zehn Teilnehmer aus Cuxhaven und Bremen hatten sich zusammengefunden, um zu probieren, wieviel Freude Musik auch mit Hörgeräten oder Cochlea Implantaten machen kann. Die Idee war, den Hörgeschädigten einen Zugang zu Musik aufzuzeigen, denn einige Teilnehmer haben eher unangenehme Erinnerungen an den Blockflötenunterricht in Kindertagen.

Die Musiktherapeutin Kerstin Sievers erläuterte die Hintergründe und Anwendungsmöglichkeiten einer Musiktherapie. Für manche Teilnehmer war neu, dass Musiktherapie beim Umgang mit autistischen Kindern ebenso hilfreich sein kann wie in der Hospizarbeit. Auch in der Schmerztherapie kann Musiktherapie helfen. Tinnitus war ein wichtiges Thema: Es wurden Wege aufgezeigt und versucht, mit Musik und Instrumenten ein Ohrgeräusch positiv zu beeinflussen.
Erstaunt nahmen die Teilnehmer zur Kenntnis, dass auch normal hörende Menschen gesungene Liedtexte häufig nicht verstehen. Taktile Reize wie das Vibrieren der Saiteninstrumente oder von Klangschalen nehmen Menschen mit eingeschränktem Gehör dagegen meist besonders gut auf.

Das Seminar hatte aber nicht nur theoretische Inhalte. Fremdartige Musikinstrumente wurden ausprobiert, eine `Ocean drum` und ein `Guiro` beschrieb eine schwerhörige Teilnehmerin als „sterbende Krähe im Meeresrauschen“. So kam der Spaß bei all den Trainings- und Lerneffekten nicht zu kurz. Geräusche wurden ganz neu entdeckt: den Klang eines zerrissenen Papiertaschentuchs am Ohr identifizierte eine Teilnehmerin zunächst als „Drehen einer Pfeffermühle“.
Manch einer ist mit einem „aha“-Erlebnis nach Haus gefahren und wird weiter mit Klängen und Musik experimentieren. Die Gruppe wünscht sich eine Wiederholung oder sogar eine Fortführung eines solchen Seminars.
Interesse an der Selbsthilfegruppe?

Weitere Informationen per Email bei anne.bolte@gmx.de oder bei der KIBIS, Frau Tscharntke Telefon (04721) 57 93 32.